So und ähnlich lauteten die Presseinformationen, die u.a. in „tagesschau.de“ und „hessenschau.de“ sowie in die Frankfurter Rundschau Eingang fanden. Wer die Gruppe schriftlich auf ihre Irrtümer, insbesondere auf die gültige Rechtschreibung und die grammatikalischen Standards, hinweisen will, findet sie lediglich auf Facebook. Also exakt auf jener Plattform, die eine deregulierte Meinungsvielfalt zulässt, sodass auch „Stammtische“ von Päderasten, Verschwörungsphantasten und Rechtsradikalen einschließlich AfD akzeptiert werden. Das lässt aufhorchen. Wirft das „Bündnis“ doch dem hessischen Kultusministerium vor, durch das Verbieten von Sonderzeichen wie Asterisk, Doppelpunkt und Gender-Gap der AfD in die Hände zu spielen.
Von Letzterer ist bekannt, dass sie bei der Bevölkerungsmehrheit, die das Gendern ablehnt, Stimmen gewinnen will. Darum versucht die Partei, die Vorbehalte gegen synthetische Eingriffe in die Sprache zu instrumentalisieren. Die Ideologen der alten und neuen Rechten fordern in ihren internen Publikationen (z.B. in der Zeitschrift „Sezession“) und Seminaren (vor allem des „Instituts für Staatspolitik“) seit Jahren, dieses kritische Potential zum eigenen Nutzen aufzunehmen und ihm Wege im Rahmen der angestrebten „konservativen Revolution“ zu weisen. In ähnlicher Weise reklamiert sie Opfer des NS-Staats sowie erklärte Widerstandskämpfer für sich. „Anne Frank, die Geschwister Scholl und Dietrich Bonhoeffer wären heute bei uns“ lauten die subkutan verabreichten Desinformationen.
Es ist davon auszugehen, dass AfD, Identitäre und andere Extremisten am liebsten Gendern würden. Denn die Ankettung einer weiblichen Form an eine vermeintlich männliche entspricht der Rolle der Frauen, die der NS-Staat, insbesondere Joseph Goebbels‘ Propagandaministerium, proklamierte. Nämlich „Mütter im Vaterland“ zu sein. Dieser Schoß ist bekanntlich noch fruchtbar bzw. wird revitalisiert.
Wer sich mit dem Weltbild der überzeugten Genderer beschäftigt, dem fällt auf, dass in diesen Kreisen besonders häufig auf Ausdrücke aus dem „Wörterbuch des Unmenschen“ zurückgegriffen wird. Etwa auf seinerzeit neue oder inhaltlich umgewandelte Begriffe wie Ausrichtung, Einsatz, Frauenarbeit, Kulturschaffende, Mädel, durchführen, querschießen, tragbar oder untragbar. Es sind hochtoxische Wörter, wie die Journalisten Dolf Sternberger, Gerhard Storz und Wilhelm E. Süskind in ihrem o.g. Buch nachwiesen.
Die Redaktion der „BRÜCKE unter dem MAIN“, die ein korrektes Deutsch schreibt und spricht und folglich das Gendern ablehnt, legt sich regelmäßig mit alten und neuen Nazis an. Die reagieren mit Hass- und Drohbriefen, einmal sogar mit Gewalt, und lassen sich davon auch von gerichtlich verhängten Geldstrafen nicht abschrecken.
Wer die Meinung vertritt, dass vor allem Rechtsextreme gegen das Gendern protestieren, muss sich die Vorwürfe gefallen lassen, sowohl politisch naiv als auch bildungsfern zu sein. Möglicherweise ist es der jahrelangen Pädagogik der Beliebigkeit geschuldet, dass Gendern mit modern, aufgeklärt, selbstbewusst oder emanzipiert gleichgesetzt wird. Doch das Gegenteil ist richtig.
Die Mehrheit der Gender-Befürworter ist laut ihren eigenen schriftlichen und mündlichen Einlassungen nicht dazu in der Lage, eine vermeintlich geschlechtergerechte Sprache, die sich Anhängseln bedient, aus den allgemein akzeptierten Grundsätzen der Sprachwissenschaft abzuleiten. Wenn ich anerkannten Experten wie Peter Eisenberg, Rolf Schöneich, Roland Kaehlbrandt oder Eckhard Meineke folge, hat sich die deutsche Sprache seit Jahrhunderten regelmäßig verändert, also an neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen angepasst. Dies jedoch immer in genuiner Weise, also aus sich selbst heraus. Das sogenannte geschlechterneutrale Maskulinum (das Epikoinon) hat das begünstigt. Das Deutsche hat im Wesentlichen ideologischen Einflussnahmen widerstanden – wenn man von den Versuchen des NS-Staats einmal absieht.
Klaus Philipp Mertens