Das kritische Tagebuch

Verfassungsfeind AfD

Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit

Menschen protestieren gegen die AfD © WDR

Die diversen Treffen von Identitären, AfD und anderen Gruppen des rechten Rands wurden dem Vernehmen nach vom „Institut für Staatspolitik“ des Verlegers Götz Kubitschek organisiert, das in Schnellroda (Sachsen-Anhalt) seinen Sitz hat. Dieser verfügt mit seinem Buchverlag „Antaios“ und seiner Zeitschrift „Sezession“ über Medien mit breiter Ausstrahlung in die rechte Szene. Er versteht sich als neuer Vorbereiter jener alten „konservativen Revolution“, die bereits am Ende der Weimarer Republik den Nazis den Weg ebnete. Ihm zur Seite stehen Jürgen Elsässer, ein ehemaliger antiautoritärer Linker, und sein Magazin „Compact“ sowie die Tageszeitung „Junge Freiheit“. Um das Fußvolk mit besonders schlichten populistischen Parolen zu aktivieren, wurden diverse virtuelle Stammtische in den Unterschicht-Medien „Instagram“ und „TikTok“ installiert.

 

Wer die AfD und ihre Konsorten kleinhalten will, sollte angesichts der geschilderten Tatsachen nicht von der Kraft der Argumente träumen, wie es Bundespräsident, Bundeskanzler und andere Spitzenpolitiker derzeit tun. Denn sowohl die Partei als auch ihre Wähler haben den demokratischen Diskurs längst verlassen, falls sie ihn überhaupt je ausgeübt haben, und sich ihre eigene Wirklichkeit geschaffen. Aber man kann von der Strategie des rechten Rands etwas lernen.

 

Eine erste Phase der Gegenwehr bestünde in bürgerschaftlichen Aktionen, in denen die Führungsclique als vermeintliche Rächerin der Enterbten in den Medien entzaubert wird. Beispielsweise könnte Alice Weidel als eiskalte Bankerin entlarvt werden, die beim Konkurs von „Lehmann Brothers“ 2009 an der Verelendung Tausender Kleinanleger beteiligt war („Wenn Du sie wählst, wird sie morgen auch Dich ruinieren“). Dem Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland könnte man nach wie vor die Meineid-Affäre aus seiner Zeit als Chef der hessischen Staatskanzlei vorhalten („Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht…“). Die meisten Führungsfiguren der AfD haben Leichen im Keller. Sie böten über Wochen und Monate reichlich Stoff für diverse Kampagnen.

 

Jene Wähler, die eigentlich nichts über Politik wissen wollen und sich auf ihre ungeschulte Wahrnehmung verlassen, lassen sich nach diversen Erfahrungen durch öffentlich geäußerte Mutmaßungen verunsichern, etwa durch solche Schlagzeilen: „Führen AfD-Mehrheiten in Ostdeutschland zu Werksschließungen? Ziehen sich Inverstoren zurück? Ist dann das Arbeitslosengeld überhaupt sicher?“

Möglicherweise erscheint das dem auf Contenance bedachten Bildungsbürgertum als unseriös. Doch die ethischen Werte der Letzteren werden bereits seit längerem von AfD & Co. ad absurdum geführt. Auf Flugblättern und Postkarten heißt es u.a.: „Dietrich Bonhoeffer, die Geschwister Scholl und Anne Frank wären heute bei uns!“ Denn im völkischen Untergrund findet längst eine Umkehr sittlicher Wertmaßstäbe statt. Dagegen hilft nur eine Notbremse.

 

In der zweiten, parallel stattfindenden Phase des demokratischen Widerstands schlüge die Stunde von Legislative und Exekutive. Sie sollten die Wählbarkeit von Rechten gemäß Artikel 18 Grundgesetz verhindern. An erster Stelle stünde Björn Höcke.

Gleichzeitig sollten Bundesregierung und Bundesrat einen detailliert begründeten Verbotsantrag gegen die AfD beim Bundesverfassungsgericht stellen. Eine Entscheidung kann unter Umständen mehrere Jahre dauern. Zwischenzeitlich sollten die anderen Maßnahmen erste positive Ergebnisse für die Demokratie zeigen.

 

Selbstverständlich dürften die skizzierten Aktionen nicht die breite demokratische Meinungsbildung ersetzen. Denn zwischen CDU/CSU, SPD, Grünen, FDP und der Rest-Linken gibt es weiterhin ein unterschiedliches Verständnis gesellschaftlicher Entwicklungen und entsprechend diametral entgegengesetzte Lösungsansätze. Aber dieser Streit bräuchte nicht mehr vor dem Hintergrund nationalistischer Propaganda geführt werden und demzufolge kurzatmig sein.

 

Klaus Philipp Mertens