Das kritische Tagebuch

Überflüssig

Von der Fragwürdigkeit staatlicher Feiertage mit religiösem Charakter

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Wenn der Staat den Feiertag einer Religionsgemeinschaft für allgemeinverbindlich erklärt, also zum staatlichen Feier-, Gedenk- und Ruhetags, ist dieser auch für Anders- und Nichtreligiöse verbindlich. Sie müssen ihn zwar nicht so begehen wie Gläubige, aber doch respektieren. Und wenn es sich um einen „stillen“ Feiertag handelt, etwa um den Karfreitag, wird auch ihnen ein bestimmtes Maß an Ruhe abverlangt.
 

Vor allem am Karfreitag scheiden sich Verstand und Unverstand. Bereits seit Jahren fordern Teile der kommerziellen Unterhaltungsszene die Aufhebung des Tanzverbots. Letzteres sei nicht mehr zeitgemäß und setze sich über den Lebensstil vor allem jüngerer Menschen hinweg. Dabei möchten sie einerseits am Feiertag (also an einem arbeitsfreien Tag) festhalten, stellen andererseits aber dessen Bedeutung infrage. Solche Begehrlichkeiten sollten Anlass für eine Analyse staatlicher Feiertage mit religiösen Bezügen sein.
 

Unsere religiösen Feiertage basieren auf christlichen Glaubensdogmen. Zu Weihnachten erinnern sich Katholiken und Protestanten der legendären Geburt Jesu. Am Karfreitag soll seiner Hinrichtung gedacht werden; an den beiden Ostertagen seiner leiblichen Auferstehung von den Toten. Da die zugrundeliegenden Evangelien und apostolischen Schriften keine historischen Berichte sind, sondern Glaubensaussagen, stellt sich die Frage ihrer Zumutbarkeit an eine zunehmend säkulare Gesellschaft.
 

Schließlich entstanden die Urschriften des Neuen Testaments erst 40 bis 100 Jahre nach dem vermuteten Tod Jesu und sind zudem mit antiken griechischen und römischen Mythen durchsetzt. Der evangelische Theologe Rudolf Bultmann urteilte: „Vom Leben und von der Geburt Jesu können wir so gut wie nichts mehr wissen […] Wenn also von Jesu Leben oder Gedanken die Rede ist, so liegt dem nicht die Vorstellung von einem allgemeingültigen idealen Gedankensystem zugrunde, das für jedermann einleuchtend gemacht werden kann.“ Ohne einen Glauben an das nicht Nachweisbare ist das Christentum substanzlos.
Ähnliche Vorbehalten gelten auch für Pfingsten, Himmelfahrt, Fronleichnam, Maria Empfängnis und Allerheiligen. Menschen mit religiöser Bindung würden diese Feste mutmaßlich auch dann zelebrieren, wenn die Besinnung nicht staatlich verordnet wäre.
 

Mittlerweile bekennt sich weniger als die Hälfte der Bevölkerung zu einer christlichen Kirche. Deutschland ist zu einem Land des Unglaubens geworden. Es bedarf also keiner staatlichen Feiertage mit religiösen Inhalten. Vielmehr ist es an der Zeit, sie abzuschaffen. Um den Gläubigen aller Richtungen Reverenz zu erweisen, könnte man einen Tag des Jahres zum „Tag der Religionen“ erheben.
 

 

Klaus Philipp Mertens