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83. PRO LESEN - Themenwoche

»Apotheker Herr Fontane wird als „Lafontaine“ Mitglied in der literarischen Gesellschaft „Tunnel über der Spree“«

Erinnerungen an Theodor Fontane

 

Programmheft LITERATUR & KULTUR, Juni 2019

Theodor Fontane hat zwei autobiografische Schriften verfasst: Den Roman »Meine Kinderjahre« und die Erinnerungen »Von Zwanzig bis Dreißig«. In letzterem beschreibt er ausführlich den Lebensabschnitt zwischen 1840 und 1850, der für seine künstlerische Entwicklung ausschlaggebend war.
 

Er blickt zurück auf eine turbulente Epoche, in der er den (Brot-) Beruf eines Apothekers erlernt und ausübt und hofft, bald als unabhängiger Schriftsteller und Poet leben zu können. Viele kleine und große Stationen lässt er Revue passieren: sein literarisches Debüt im »Berliner Figaro« 1839/40, die Zeit als Apothekergehilfe und sein schriftstellerisches Engagement in Leipzig und Dresden 1841–43, das Militärpflichtjahr 1844/45, die erste Reise nach England, die Berliner Revolution 1848, seine Tätigkeit im Diakonissenhaus Bethanien 1849 sowie Verlobung (1845) und Eheschließung (1850) mit Emilie Rouanet. Große Aufmerksamkeit widmet er dem Dichterverein ›Tunnel über der Spree‹, der seine literarische Sozialisation gefördert hat. Mehr als ein Drittel des Buches ist allein dem ›Tunnel über der Spree‹ gewidmet.
 

Fontane hält sich nicht streng an den im Werktitel vorgegebenen Zeitrahmen. Er blickt zurück in die dreißiger Jahre, erzählt vom Leben als Berliner Apothekerlehrling, greift aber auch vor und plaudert von seinem langjährigen Aufenthalt in England in den fünfziger oder seiner Tätigkeit bei der ›Kreuzzeitung‹ in den sechziger Jahren. Immer wieder verlässt er dabei die autobiographische Ebene und wendet sich in biographischen Skizzen Menschen zu, die einmal seinen Lebensweg kreuzten und beeinflussten, vorzugsweise Lebenskünstlern und gescheiterten Existenzen, Originalen, Käuzen und Außenseitern, in seltenen Fällen auch ›Berühmtheiten‹ wie etwa Theodor Storm.
 

Fontane zeigt sich hier als Meister biographischer und psychologischer Porträtierkunst. Seine eigene Entwicklung schließlich, die eines Apothekergehilfen von zwanzig Jahren zum ›freien‹ Schriftsteller mit dreißig erscheint ihm im Rückblick wie ein verwegener ›Ritt über den Bodensee‹, »denn ein Apotheker«, so schreibt er im August 1891 seiner Frau, »der anstatt von einer Apotheke von der Dichtkunst leben will, ist so ziemlich das Tollste, was es gibt.«
 

Fontane erzählt in Bildern, lebensnah aber auch idyllisch-verklärend, anekdotenreich, humorvoll, nachdenklich. Mit Liebe zum Detail, auch für das anscheinend Nebensächliche, charakterisiert die epische Perspektive. »Von Zwanzig bis Dreißig« ist nicht nur für die Beurteilung von Fontanes Werk eine unentbehrliche Quelle; das Buch ist auch in sozial-, kultur- und literaturhistorischer Sicht von großem Wert.

 

Mit 75 Jahren, im Winter 1894, setzt Fontane die Arbeit an seiner 1892 begonnenen Autobiographie fort. Sie erscheint schließlich in seinem Todesjahr 1898.
 

 

Theodor Fontane wurde am 30. Dezember 1819 im märkischen Neuruppin geboren. Nach vierjähriger Lehre arbeitete er in verschiedenen Städten als Apothekergehilfe und erwarb 1847 die Zulassung als »Apotheker erster Klasse«. 1849 gab er den Beruf auf, etablierte sich als Journalist und freier Schriftsteller und heiratete 1850 Emilie Rouanet-Kummer. 1855 bis Anfang 1858 hielt er sich in London auf, u. a. als »Presseagent« des preußischen Gesandten. Zwischen 1862 und 1882 kamen die »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« heraus. Neben seiner umfangreichen Tätigkeit als Kriegsberichterstatter und Reiseschriftsteller war Fontane zwei Jahrzehnte Theaterkritiker der »Vossischen Zeitung«. In seinem 60. Lebensjahr trat er als Romancier an die Öffentlichkeit. Dem ersten Roman »Vor dem Sturm« (1878) folgten in kurzen Abständen seine berühmt gewordenen Romane und Erzählungen sowie die beiden Erinnerungsbücher »Meine Kinderjahre« und »Von Zwanzig bis Dreißig«. Fontane starb am 20. September 1898 in Berlin.

 

 

Stimmen zu Theodor Fontane

Reclams Literaturkalender 1956:

 

Mit 60 Jahren hat Theodor Fontane, der schon als Balladendichter bekannt war, von sich gesagt: „… so lächerlich es klingen mag, ich darf — vielleicht leider — von mir sagen: ich fange erst an." Dieser „späte Anfang" des Prosaisten Fontane ließ ein reifes Alterswerk ent­stehen, erfüllt von dichter Wirklichkeit, von Lebensweis­heit und skeptisch-ironischer Weltbetrachtung, verhalten im Gefühl und alle großen Worte wie alle Feierlichkeit vermeidend. Seine Zeit- und Gesellschaftsromane aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gehören mit ihrem geistvoll-lebendigen, psychologisch echten Dialog zu den vollendeten dichterischen Leistungen des deut­schen Realismus.
 

Theodor Fontane wurde am 30. Dezember 1819 in Neuruppin geboren. Er war der Sohn eines Apothekers, der von Hugenotten abstammte. Nach dem Besuch des Gymnasiums ging er bei einem Berliner Apotheker in die Lehre. Er hat dann eine Reihe von Jahren diesen Beruf ausgeübt, in Leipzig, Dresden und in Berlin. Dort wurde er freier Schriftsteller, als Mitglied der Dichtervereini­gung „Tunnel über der Spree" schuf er seine ersten Balladen. Dann ging er als Zeitungsberichterstatter für einige Jahre nach London. Im Krieg von 1870/71 geriet er als Kriegsberichter eine Zeitlang in französische Ge­fangenschaft. Später wurde Fontane Theaterkritiker der damaligen „Vossischen Zeitung" in Berlin; seine berühm­teste Kritik schrieb er über die Uraufführung von Ger­hart Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang" (1889), mit der er sich zur modernen Literatur bekannte. Sein Dasein verlief immer am Rande der Not. Sein bestes Buch, „Effi Briest", brachte es — solang er lebte — auf ganze 5000 Auflage, doch er überwand die Enttäuschungen mit seiner Lebenskunst der heiteren Resignation. Am 20. Sep­tember 1898 ist er in Berlin gestorben.
 

Fontäne hat mit „Gedichten" (1851) begonnen. Weit­aus stärker wirksam waren seine „Balladen" (1861), unter ihnen die berühmte von „Archibald Douglas" oder der ergötzliche „Herr von Ribbeck". Mit 59 Jahren veröffentlichte er seinen ersten Roman „Vor dem Sturm" (1878), es folgte „Grete Minde" (1880); „Ellernklipp" (1881); „L'Adultera" (1882); „Schach von Wuthenow" (1883), eine meisterhafte Erzählung aus der Welt der alten preußischen Armee; „Graf Petöfy" (1884); „Un­term Birnbaum" (1886); „Cecile" (1887); „Irrungen, Wirrungen" (1888); „Stine" (1890); „Frau Jenny Treibel" (1892), die satirisch-treffende Darstellung des Ber­liner Bürgertums der neunziger Jahre; „Effi Briest(1895), mit der Fontane seine schönste, ergreifendste Frauengestalt und auch sein Meisterwerk geschaffen hat; „Die Poggenpuhls" (1896) und „Der Stechlin" (1899), sein ganz auf dem skeptisch-humorvollen Dialog be­ruhendes letztes Werk aus dem märkischen Land, das man wohl eine Art Selbstporträt nennen kann.
Seine autobiographischen Erinnerungen „Meine Kinderjahre" (1894) und „Von Zwanzig bis Dreißig" (1898) sind — wie alle seine Bücher — durch ihre Zeitschilderungen genauso bedeutungsvoll wie durch die Persönlichkeit dessen, der sie geschrieben hat. Die „Wanderungen durch die Mark Brandenburg" (4 Bände, 1862—82) enthalten Schilderungen aus Landschaft und Geschichte von Fontanes Heimat.
 

Fontanes Neigung zur Causerie, zum geistvollen iro­nischen Plaudern, gibt seinen für das Menschliche wie für das Künstlerische aufschlussreichen Briefen — Zeugnissen einer Epoche, die sich noch Zeit nahm für echte Briefe — den Charakter und den besonderen Reiz. Neben den Familien- und Freundesbriefen seien vor allem genannt: „Fontane und B. v. Lepel. Ein Freundschaftsbriefwechsel" (aus dem Nachlass 1940) und die „Briefe an Georg Friedlaender" (aus dem Nachlass 1953).

 

Reclams Literaturkalender 1969

Der junge Fontane schrieb als Mitglied der Berliner Dichtervereinigung »Der Tunnel über der Spree« seine Balladen. Mit 57 Jahren nahm er die Arbeit an seinem schon 1863 begonnenen Roman „Vor dem Sturm“ wieder auf, und in den folgenden zwei Jahrzehnten schrieb er die Romane, die heute seinen Ruhm ausmachen. Er ging als Dichter den Weg von den herkömmlich idealen zu den realistischen Gegenständen, zum geringen Helden, zum Milieu und zum Gesellschaftsleben, er distanzierte sich vom hohen Stil. Die Reife brachte für Fontane auch Klugheit und eine hellsichtig-heitere Resignation. Ihm wuchs in dieser Spätzeit seines Lebens eine humane Iro­nie zu, die sich bei Spannungen und Dogmen in dem berühmten »heiteren Darüberstehen« bewies, die Unauf­lösbares mit Weisheit durchdrang. Thomas Mann hat in seinem Aufsatz Der alte Fontane die Wesenszüge des Dichters und die Bedeutung seines Spätwerks dargelegt.
 

Theodor Fontane wurde am 30. Dezember 1819 in Neuruppin als Sohn eines Apothekers geboren, der einer Hugenottenfamilie entstammte. 1836 bis 1840 war er Apothekerlehrling in Berlin, anschließend Apothekerge­hilfe in Leipzig, Dresden, und wieder in Berlin, wo er 1844 Mitglied des »Tunnels« wurde. 1849 gab er den Apothekerberuf auf, um Journalist zu werden. Er ging als Berichterstatter nach London, war 1860 bis 1870 Re­dakteur der konservativen Kreuz2eitung in Berlin. Als Kriegsberichterstatter wurde er 1870 von französischen Freischärlern gefangengenommen. 1870 bis 1889 schrieb er Schauspielkritiken für die Vossische Zeitung, seine „Causerien über das Theater“. 1876 war er Sekretär der Akademie der Künste in Berlin, später lebte er nur seiner literarischen Arbeit. Am 20. Sept. 1898 starb er in Berlin.
 

Zu seinen Hauptwerken gehören die Romane: Vor dem Sturm (1878), Grete Minde (1880), Ellernklipp (1881), Unterm Birnbaum (1885), Irrungen Wirrungen (1888), Stine (1890), Unwiederbringlich (1891), Frau Jenny Trei­bel (1892), Effi Briest (1895), Die Poggenpuhls (1896), Der Stechlin (posthum 1899) sowie die Erzählungen Schach von Wuthenow (1883) und L'Adultera (1882). Seine erste No­velle „Tuch und Locke“ stammt aus dem Jahre 1853. „Meine  Kinderjahre“ (1894) und „Von Zwanzig bis Dreißig“ (1898) geben autobiographischen Bericht. Landschaft und Ge­schichte hat er in den Wanderungen durch die Mark Bran­denburg (1862-82) geschildert. Seine zahlreichen Briefe dokumentieren ihn als überragenden Geist, dem die Skepsis gegen sich selbst nicht fehlte.

 

Buchausstellung im Bibliothekszentrum Sachsenhausen 24. - 29. Juni 2019

Donnerstagabend-Lesung am 27. Juni 2019, 19:00 – 20:30 Uhr
„Von Zwanzig bis Dreißig“
Auszüge aus der autobiografischen Schrift

Anschließend Publikumsgespräch

Eintritt frei

Der zweite Teil ist für die Woche vom 16. – 21. Dezember (Donnerstagabend-Lesung am 19. Dezember) geplant.