Archiv "Vom Geist der Zeit" | Gesellschaft und Politik

Rechtsprechung der besonderen Art

Vorwürfe gegen die hessische Justiz

Die Frankfurter Justiz musste fünf mutmaßliche Drogendealer trotz dringenden Tatverdachts aus der U-Haft entlassen, weil sie nach eigener Aussage überlastet ist und die auf sechs Monate beschränkte Ermittlungshaft ausgeschöpft war. Im Jahr 2022 geschah das in Hessen insgesamt 13 mal. Hessen belegt wegen dieser – die Rechtssicherheit gefährdenden - Maßnahme nach Bayern den zweiten Platz unter den Bundesländern.

 

Falls Staatsanwaltschaften und Gerichte überlastet sind, warum vergeuden sie dann ihre Zeit mit Verfahren wie dem gegen Zübeyde Feldmann? Die hatte von der AWO einen Minijob erhalten, musste aber keine Arbeitsleistung erbringen. Es wurde auch niemals eine Auftragserledigung angemahnt. Steuern und Sozialabgaben wurden entsprechen den Regeln für geringfügige Beschäftigungen abgeführt.

Die Arbeiterwohlfahrt gewährte solche Zugaben offensichtlich als Instrumente zur Betriebsbindung und möglicherweise zur Schaffung von Abhängigkeiten. Die Erfolgsquote schien jedoch extrem gering gewesen zu sein. Den Betroffenen war ihre Rolle selten oder gar nicht bewusst, wobei die Hintergründe für den Einzelnen ohnehin nicht durchschaubar waren.

 

Die Frankfurter Justiz beruft sich im Prozess gegen Zübeyde Feldmann auf § 266 des Strafgesetzbuchs, der die sogenannte Untreue regelt. Dieser wurde am 1. Juni 1933 neu gefasst und gilt bis heute. Die Neufassung gestattete dem NS-Staat, den Raub jüdischen Vermögens und die Benachteiligung ausländischer Firmen zu legalisieren. Das Gesetz ist bewusst wenig präzise gehalten und ermöglicht ideologische, insbesondere rassistische Auslegungen. Namhafte Rechtswissenschaftler plädieren seit langem für eine Streichung und ein modifiziertes Wirtschaftsstrafrecht.

 

Wäre Zübeyde Feldmann nicht Noch-Ehefrau von Peter Feldmann, hätte es vermutlich kein Verfahren gegeben. Denn dieses ist nichts anderes als der zweite Akt der „Entsorgung“ des Ex-Oberbürgermeisters. Gegen die Urheber und Verbreiter des antisemitischen Plakats „Feldmann entsorgen“ wurde mit weit geringerer Intensität und erfolglos ermittelt.

 

Klaus Philipp Mertens