Archiv "Vom Geist der Zeit" | Gesellschaft und Politik

„Man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist.“

Rückkehr zu patriarchalischen Strukturen bei den Frankfurter Jusos?

(c) Juso Frankfurt

 

Die Zeitschrift der Frankfurter Jusos heißt „Bandiera Rossa“. Das klingt nach Aufbruch, gar nach Revolution. Denn der Titel, einem sozialistischen italienischen Kampflied des frühen 20. Jahrhunderts entnommen, bedeutet auf Deutsch „Rote Fahne“ und der Refrain endet mit „Es lebe der Kommunismus und die Freiheit“. Faktisch wird der Wunsch nach einem Systemwechsel angekündigt. Alle Achtung. Das hätte ich zu meiner Juso-Zeit, die 40 Jahre zurückliegt, nicht so klar auszusprechen gewagt. Und als ich etwas älter und mutiger war, wurden mir Unvereinbarkeitsbeschlüsse vorgehalten, beispielsweise Stamokap betreffend (die ungeliebte Theorie vom staatsmonopolistischen Kapitalismus).
 

In der aktuellen Nummer werden der Vorstand und die Kandidaten für den Unterbezirksvorstand (UBV) vorgestellt. Die Kandidaten für den UBV, welche die Unterstützung der Jungsozialisten genießen, präsentieren sich mit Bild und einem ausführlichen Statement. Ausnahmslos reden sie die Leser mit „Liebe Genoss*innen“ an und schildern ihre politischen Überzeugungen, die sie, falls gewählt, umsetzen wollen. Doch bereits die Anrede wirft grundsätzliche Fragen auf.
Das ruft die Mutmaßung hervor, dass der politische Nachwuchs der SPD Probleme mit der deutschen Grammatik haben könnte. „Genoss*innen“ bedeutet offenbar, dass Genossen und Genossinnen gemeint sind, die nach Genderart zwar in einem Wort zusammengefasst, aber mittels eines Sternchens wieder getrennt werden.
 

Das sogenannte Gendern ist zwar derzeit in Mode, aber es entspricht nicht dem Regelwerk für deutsche Rechtschreibung. Es ist auch nicht erkennbar, dass dieses in absehbarer Zeit geändert würde. Eher ist zu erwarten, dass diese ideologische Verkürzung der Sprache ähnlich untergehen wird wie die Hessischen Rahmenrichtlinien für Deutsch und Gesellschaftskunde, die 1972 und noch einige Jahre danach einen pädagogischen Konflikt auslösten.
Die deutsche Sprache, ähnlich wie andere Sprachen, entwickelte im Rahmen einer jahrhundertealten Geschichte aus sich selbst heraus eine eigene Sprachlogik. Denn sie musste und muss einerseits abstrahieren und andererseits konkretisieren, um die Gesamtheit der Tatsachen, die sie beschreiben soll, exakt darstellen zu können. Dabei sollen ihre Formulierungen bei aller notwendigen Präzision sprechbar, flüssig und immer verständlich sein. Das hat bislang überwiegend gut funktioniert, selbst wenn Ideologen unterschiedlicher Couleur die Deutungshoheit über sie erringen wollten, um sie dann in ihrem je eigenen Interesse zu verändern. Die „Lingua Tertii Imperii“ des NS-Staats, von Viktor Klemperer treffend analysiert, ist hierfür ein typisches Beispiel.
 

In dem von mir dargestellten Zusammenhang fällt auf, dass die (nicht nur) von Jungsozialisten angestrebte geschlechtergerechte Sprache darauf hinausläuft, die weibliche Form der männlichen anzuhängen, statt eine Eigenständigkeit der Geschlechter herauszustellen. Sprache kann nicht per se gerecht sein. Aber sie bietet das Instrumentarium, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit eindeutig zu benennen. Deswegen legen immer mehr Frauen Wert darauf, nicht in einer frauenverachtenden Weise angesprochen zu werden. Sie wollen nicht Anhängsel von Männern sein, wollen nicht als *in oder *innen klassifiziert werden. Jungsozialisten, die SPD allgemein, aber auch vermeintlich Progressive bei Linken und Grünen, haben das weder erkannt noch verinnerlicht.
 

Spötter dichten deswegen längst von allen Dächern herab:
 

Der Genoss ist der Boss,
die *innen sind nur Mägde
unter einem Gernegroß,
der’s ihnen auferlegte.

Das schwere Joch aus alter Zeit,
von einem Gott gespendet.
Es macht sie immer dienstbereit,
damit sich nie nichts wendet.

Schlagen wir dazu einmal die Bibel auf, die bei der SPD neuerdings das „Kapital“ zu ersetzen scheint, und lesen nach:

„Da ließ Gott der Herr einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen (Adam), und der schlief ein. Und Gott nahm eine seiner Rippen und schloss die Stelle mit Fleisch. Und Gott der Herr baute ein Weib aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm.
Da sprach der Mensch (Adam): Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist.“

(Schöpfungserzählung in Genesis 2, Verse 21 bis 23, entstanden um 900 vor der Zeitenwende, Endredaktion um 400 bis 500 v.d.Z.).

 

Fünf bis sechs Jahrhunderte später hielt Paulus im Ersten Brief an die Korinther (Kapitel 14, Verse 34 und 35) fest:
„Lasset die Frauen schweigen in der Gemeinde; denn es soll ihnen nicht zugelassen werden, dass sie reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt.
Wollen sie aber etwas lernen, so lasset sie daheim ihre Männer fragen. Es steht der Frau übel an, in der Gemeinde zu reden.“

 

Man sollte nicht einer Entwicklung wie dem Gendern hinterherlaufen, deren Ursachen und Absichten sich einem nicht auf Anhieb erschließen und die bei objektiver Bewertung exakt jene demokratischen Regeln infrage stellt, die fördern zu wollen sie vorgibt. Über 60 Prozent der Deutschen lehnen dieses aufgezwungene Schreiben und Sprechen ab. Es ist davon auszugehen, dass dies auch auf jene Wählergruppen zutrifft, die man unbedingt benötigt, um aus dem 15-Prozent-Loch herauszukommen.
 

Darum: Jusos, denkt an den 26. September! Denn es besteht die Gefahr, dass ihr nach der ersten Hochrechnung singen müsst:

„Wir sind die junge Garde, der nicht zu helfen war.
Wir setzten auf ´nen Irrtum, verlogen, unheilbar.
 

Zwar haben wir erfahren
der Dummheit Urgewalt
in den Agenda-Jahren,
dem großen Hinterhalt.

Sie hat von Kopf bis Fuß geklirrt,
die Lüge, die stets schwerer wird.

Wir war’n die junge Garde, der Wind der neuen Zeit.
Wir haben‘s nicht begriffen dank unserer Eitelkeit.“

(Zu singen nach der Melodie des Andreas-Hofer-Lieds „Zu Mantua in Banden“.)

 

Das "Kritische Tagebuch" führt Klaus Philipp Mertens