Archiv "Vom Geist der Zeit" | Gesellschaft und Politik

Corona-Phantasien contra Berufsethik

Ein Zwischenruf

Impfgegnerin in Stuttgart: „Ich liebe meinen Job…“ © m-rg

Expertenwissen, Handlungsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit zählen zu den unabdingbaren Anforderungen eines jeden Berufs.

Außer im Gesundheitswesen?

Zu diesem Eindruck könnte man bei der Analyse der Vorgänge in einem Pflegeheim in Rastatt (Baden) zwischen Dezember 2021 und Ende Januar 2022 gelangen. Dort hatten sich 55 Bewohner mit Covid-19 infiziert, weitere 13 Menschen waren daran gestorben und 20 Prozent des Pflegepersonals erwies sich entweder als gar nicht oder als nicht ausreichend geimpft. Das sind skandalöse Zustände.
Die Ursachen liegen einerseits in der Privatisierung staatlicher Daseinsvorsorge, verbunden mit dem Einzug betriebswirtschaftlicher Ideologie auch in öffentlichen sowie karitativen Einrichtungen und andererseits in einer gestörten Berufsethik mancher Beschäftigter. Deswegen ist an der Zeit, sie endlich zur Kenntnis zu nehmen und für unverzügliche Abhilfe zu sorgen.
 

Alten- und Pflegeheime sind entweder privatwirtschaftliche, auf maximale Profiterzielung angelegte Unternehmen. Oder sie werden von Kommunen sowie Wohlfahrtsverbänden (überwiegend mit 90-prozentiger Unterstützung aus öffentlichen Mitteln) betrieben. In den meisten Einrichtungen wurden die personellen, medizinischen und organisatorischen Strukturen während der letzten drei Jahrzehnte zu Tode gespart. Ausgerechnet in einem wichtigen Bereich des Gesundheitswesens scheint das menschliche Leben wenig wert zu sein.
 

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn (wie im konkreten Fall) ein Fünftel des Pflegepersonals nicht gegen das Corona-Virus geimpft ist. Also sich nicht hat impfen lassen (trotz verfügbarer und wirkungsvoller Impfstoffe) und der Betreiber der Einrichtung das wegschauend in Kauf nimmt. Daraus ziehe ich den Schluss, dass ein kleiner Teil der Pflegenden den intellektuellen und ethischen Anforderungen der Tätigkeit nicht gewachsen zu sein scheint. Ich kenne keinen anderen Beruf, in dem eine Minderheit so eklatant gegen Theorie und Praxis des eigenen Selbstverständnisses verstößt wie examinierte Alten- und Krankenpfleger und wo die Mehrheit der Kollegenschaft das hinnimmt, obwohl dadurch die öffentliche Wertschätzung aller, die im Gesundheitssystem tätig sind, rapide abnimmt.
 

Und ich bin entsetzt, wenn beispielsweise das hessische Regionalfernsehen am 12. Februar eine ungeimpfte Krankenschwester namens Jana verständnisvoll interviewt. Obwohl diese junge Frau ganz offensichtlich das ABC der Krankenpflege nicht beherrscht (z.B. keine Ahnung hat vom Wesen des Virus und von dessen Verbreitungswegen sowie von den tatsächlichen Nebenwirkungen einer Impfung) und den dummen, aber gemeingefährlichen Parolen der Impfgegner erlegen ist.
 

Es ist höchste Zeit für einen Massenprotest aller nachdenklichen Staatsbürger. Denn die Straße gehört nicht dem Plebs aus Corona-Leugnern und Impfgegnern. Letztere können ihre Corona-Diktatur-Phantasien ja in PUTINesien ausleben; dort gibt es die volle Dröhnung aus Impffreiheit plus ungebändigtem Virus. Gleichzeitig könnte eine derartige Demonstration eine Warnung sein an alle Krankenhaus- und Krankenkassenfunktionäre, die das Problem zerreden, sowie an wetterwendische Politiker vom Schlage Söder.

"Das kritische Tagebuch" führt Klaus Philipp Mertens