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Kulturmeile statt Kultur

Die Zerstörung von Frankfurts städtischen Bühnen

Noch steht die Theaterdoppelanlage © MRG

 

Woran könnte es liegen, dass Theater anderer Städte, die ebenfalls auf den Fundamenten der im Krieg zerstörten Vorgängerbauten in den 1950er und 1960er Jahren errichtet wurden, langlebiger sind als die Frankfurter Theaterdoppelanlage? Selbst die nach einem Brand des Bühnenturms völlig renovierte Oper soll nach dem Urteil der Stabsstelle „Zukunft der Städtischen Bühnen Frankfurt“ bereits 30 Jahre nach ihrer Neueröffnung marode sein. Erst 12 Jahre nach dem Einbau einer neuen Bühnentechnik im Schauspiel liegt diese offenbar bereits in den letzten Zügen.
Warum sind beim renommierten Bochumer Schauspielhaus und beim weltbekannten Wiener Burgtheater solche Probleme unbekannt?
 

Mangelt es den politisch Verantwortlichen in der Stadtverordnetenversammlung und im Magistrat am notwendigen Kulturbewusstsein? Erweisen sich deren intellektuelle Defizite als Türöffner für die Immobilien- und Finanzlobby? Letzteren geht es um die Durchsetzung ihrer Begehrlichkeiten. Nämlich um Gebäude, die sich im Zentrum der Stadt lukrativ vermarkten lassen. Die Bezeichnung „Kulturmeile“ für das, was geplant ist, ist dafür ein Indiz.
Die vielen farbigen Projektzeichnungen, die von der Kulturdezernentin und ihrem Stab verteilt werden, gehen an keiner Stelle auf das Zusammenspiel von Schauspielern und Zuschauern ein, geschweige denn auf experimentelle Inszenierungen, die besonderer Baulichkeiten bedürfen, etwa einer Nebenbühne im Zuschauerraum. Die Kulturmeile wird – so ist zu befürchten - eine von Kultur entleerte Fress-, Sauf- und Kaufmeile sein. In den Foyers der Spielstätten können sich eitle Fatzken öffentlichkeitswirksam mit einem Glas Sekt in der Hand ablichten lassen. Ob Frisch oder Ganghofer gegeben wird, spielt für Kulturverächter keine Rolle.
 

Die Nazis bezeichneten willige Künstler, die sich auf das System einließen, als Kulturschaffende. Als ob man Kultur erschaffen könnte. Der Geist weht dort, wo man ihn gewähren lässt, und wenn es gut geht, entsteht Kultur. Darum meidet er Kulturmeilen, die Surrogate für nicht vorhandene Kultiviertheit sind. In Bochum und in Wien weiß man das. Darum stand und stehen immer Finanzmittel für den laufenden Erhalt der Theater zur Verfügung, nichts wird dem Verfall überantwortet.
 

Klaus Philipp Mertens