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Die Frankfurter Buchmesse ist eine PR-, Werbe- und Verkaufsausstellung

Und Friedenspreis und Deutscher Buchpreis sind Elemente des Branchenmarketings. Ein Nachbetrachtung zur Frankfurter Buchmesse 2021

Szenen von der Frankfurter Buchmesse 2021 © ZDF

„Ich will den Raum nicht den Rechten überlassen“, argumentierte die Autorin und Politikerin (Grüne) Aminata Touré in einem Interview, das die „Frankfurter Rundschau“ mit ihr führte und am Buchmesse-Samstag veröffentlichte. Sie selbst hat teilgenommen, kann aber andere verstehen, die aus Protest gegen die Anwesenheit von rechten Verlagen ihre Teilnahme abgesagt haben.
 

Dennoch wäre es hilfreich gewesen, wenn die FR-Redaktion Aminata Touré darauf hingewiesen hätte, dass die Frankfurter Buchmesse eine kommerzielle Veranstaltung ist. Denn es handelt sich um eine PR-, Werbe- und Verkaufsausstellung, die von der Messe- und Ausstellungs-GmbH des Börsenvereins des deutschen Buchhandels betrieben wird. Und eben um kein überparteiliches und unabhängiges Kulturforum, das von staatlichen Institutionen und von bürgerschaftlichem Engagement getragen ist. Die dort praktizierte Meinungsvielfalt ist ein Spiegel der Vorgänge in einem Zweig der Wirtschaft, der zwar mit Kulturgütern handelt, aber deswegen noch längst nicht Kultur ist. Und schon gar nicht eine Avantgarde des Antirassismus.
 

Im seichten Bildermedium „Instagram“, aus dem Frau Touré offensichtlich Informationen zieht und in dem sie sich selbst darstellt, wird sie zum Hintergrund der Buchmesse keine verlässlichen Angaben finden. Es gibt Menschen, denen der eingeschränkte Facebook-Kosmos ausreicht. Ja, diesen sogar völlig missversteht. Und dabei übersieht, dass der aufgeklärte Teil der Gesellschaft andere Standards setzt.
 

Es gehört zum Geschäftsprinzip der Buchmesse, möglichst viele Aussteller zu akquirieren. Dabei spielen weltanschauliche Positionen keine Rolle. Die dadurch entstehenden Risiken sind den Entscheidern dennoch bewusst. Aber noch werden diese mit den sachlich falschen Hinweisen auf Toleranz und Meinungsfreiheit beiseite gewischt. Da die Messe aber einen Ruf zu verlieren hat, nämlich den, eine seriöse Kaufmannsgesellschaft zu sein, die zudem kulturelle Dinge fördert, könnte sie die Ausstellungsbedingungen so definieren, dass an Verlage mit menschenverachtenden Programmen keine Flächen vermietet werden. Schließlich ist sie die Herrin des Verfahrens.
 

Dass ausgerechnet schwarze Autorinnen und Autoren sowie Migrantinnen und Migranten insgesamt dem schönen Schein der Messe unterliegen und sie falsch interpretieren, ist kein Zeichen von ausgeprägtem politischem Bewusstsein. Denn die richtige Gegenstrategie der Autoren wäre ein rechtzeitiger Protest bei ihren Verlagen, verbunden mit einer Warnung: „Falls ihr künftig trotz Anwesenheit von Antaios, Compact, Jungeuropa u.a. ausstellt, dann kündigen wir unsere Verträge!“ Allerdings würde das voraussetzen, dass sie über eine starke Verhandlungsposition verfügen. Also inhaltlich und formal selbst unangreifbar sind. Doch vielen sind ihren Verlagen dankbar, dass sie überhaupt gedruckt werden. Vermutlich trauen sie sich gar nicht, ihre Verlage mit Forderungen zu konfrontieren.
 

Wenn Aminata Touré in ihrem sprachlich und inhaltlich nicht überzeugenden Buch „Wir können mehr sein“ von einer Ostseeparlamentarierkonferenz in Oslo berichtet und beispielsweise auf den Seiten 12/13 schreibt: „Der Vorraum des Plenarsaals füllte sich mit Abgeordneten, Gäst*innen und Journalist*innen“, muss man ihr erhebliche Defizite in deutscher Grammatik und deutscher Rechtschreibung unterstellen. Und eine Nähe zu ideologischen Zirkeln, welche die Deutungsherrschaft über die deutsche Sprache, ihre Geschichte und ihre Ziele für sich reklamieren.
 

Die Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembgaist zweifellos von einem anderen Kaliber. Ganz anders Antje Rávik Strubel, die den Deutschen Buchpreis für ihren Roman „Blaue Frau“ erhielt. Bereits auf den ersten Seiten fällt die mitunter mangelhafte sprachliche Präzision dieser Schriftstellerin auf. Und dann stolpert man unvermittelt über solche Sätze:
 

„Und die Männer werden ahnen, wen sie vor sich haben. Ihre Hände in den Handschellen werden anfangen zu zittern. Und die Geschworenen erheben sich. Der Saal wird verstummen, wenn die Geschworenen rufen: Welchen sollen wir töten? Es wird still werden vor Gericht, wenn man fragt, wer wohl sterben muss. Und sie wird sagen: alle.“

 

Schnell fällt einem ein, wie die Urform dieses Textes lautet und wie er heißt.
 

„Und Sie wissen nicht, mit wem Sie reden.
[...]
Und an diesem Mittag wird es still sein am Hafen
Wenn man fragt, wer wohl sterben muss.
Und dann werden Sie mich sagen hören: Alle!“
 

Das ist das Lied der Seeräuber-Jenny aus Brechts „Dreigroschenoper“. Ein kunstvoll formulierter Halbsatz hätte genügt, um die von der Autorin beabsichtigte literarische Note zu unterstreichen. Dessen Fehlen lässt künstlerische Armut vermuten. Es ist kein Trost, dass das Lektorat des S. Fischer Verlags und die Jury des Deutschen Buchpreises dieses und anderes ebenfalls nicht beanstandeten.
All das könnte symptomatisch sein für jene Welt, die sich auf der Frankfurter Buchmesse öffentlichkeitswirksam zur Schau stellt, um das Geschäft anzukurbeln. Es geht eben um PR, Marketing, Werbung und Verkauf.

 

Klaus Philipp Mertens