Buchtipp

Günther Moewes: Arbeit ruiniert die Welt

Warum wir eine neue Wirtschaft brauchen

(c) Nomen Verlag, Frankfurt am Main

Vorab zu einer ausführlichen Besprechung, die Mitte Juli an dieser Stelle und in www.weltexpresso.de veröffentlicht wird, weist die Redaktion der BRÜCKE auf eine besondere Neuerscheinung hin:

Die Leser der Frankfurter Rundschau schätzen den Autor, der dort seit 2014 regelmäßig Gastbeiträge veröffentlicht, weil er Tatsachen unmissverständlich benennt. Seine Themen sind die unverantwortliche Förderung fossiler Energieträger, die industrielle Landwirtschaft, der Mobilitätswahn, die unzähligen sinnlosen Transporte, der Rüstungswahn sowie das gesamte Spektrum vermeidbarer und für den Einzelnen und die Gesellschaft schädlicher Arbeit. Schließlich kommen Armut, soziale Benachteiligung, Bildungsferne sowie Umwelt- und Klimakatastrophen nicht von ungefähr. Auch die Corona-Pandemie ist nicht vom Himmel gefallen, sondern genau wie andere Fehlentwicklungen das Ergebnis unverantwortlicher Eingriffe der Menschheit in die Natur.
 

Ursächlich ist dafür die Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit. Einer Arbeit, die nicht in erster Linie der Produktion wichtiger Lebensmittel und Güter sowie der persönlichen intellektuellen und kulturellen Weiterentwicklung dient, sondern die sich unter dem Druck fremder Interessen verselbstständigt hat. Die ständig unter Leistungszwang steht und Resultate ausstößt, die mehrheitlich nicht gebraucht werden, dabei aber wichtige und nicht ersetzbare Ressourcen verschwenden.
 

Der Erfolg von Arbeit wird in lebensfremden Kategorien bemessen, die von denen definiert werden, die nicht selbst arbeiten, sondern ihre Finanzvermögen in die kostenvermeidende, zunehmend globalisierte Produktion von Überflüssigem investieren. Denn der Markt fragt zu selten nach dem Wert eines Produkts (und der Arbeit), sondern fast ausschließlich nach dem Preis.
 

Bereits Herbert Marcuse diagnostiziert in seinem 1964 erschienenen Buch „Der eindimensionale Mensch“ eine weithin stattfindende Flucht in quantitatives Denken. Hingegen sei Qualität kaum noch erstrebenswert. Die unbefriedigenden Zustände würden lediglich verwaltet und führten dadurch zu einer Vermehrung des eigentlich Unerwünschten. Folglich fände eine Reflexion gesellschaftlicher Probleme und Aufgaben nicht mehr statt. Vielmehr würde das Individuum zum fremdbestimmten Konsumenten manipuliert. Auf diese humane und wirtschaftspolitische Engführung könne es nur eine Antwort geben, nämlich die große Verweigerung. Und mit ihr die Abkehr von der kapitalistischen Umdeutung aller Werte. Einschließlich des Sinns der Arbeit. Günther Moewes Thesen sind von diesen Positionen nicht weit entfernt.
 

Wir zitieren mit Genehmigung des Verlags einige Passagen aus seinem Vorwort:
 

„[Der] Zustand unseres Planeten und seine Ursachen, die seit 2014 in den Beiträgen dieses Buches angesprochen wurden, sind durch die Corona-Krise plötzlich noch deutlicher geworden. Von einem Tag auf den anderen wird die bisherige Austeritätspolitik über Bord geworfen. Billionen werden locker gemacht. Das legt den Verdacht nahe, dass vieles, was bisher als »nicht finanzierbar« galt, vielleicht doch finanzierbar gewesen wäre. Zum Beispiel ein Grundeinkommen. Und dass das bisherige Mantra einer beschäftigungsbasierten Wirtschaft vielleicht doch falsch ist, wonach Wohlstand nur durch menschliche Arbeit entstehen kann, auch dann, wenn diese überflüssig, sinnlos oder gar schädlich ist. Es waren ja die Auswüchse dieser falschen Wirtschafts- und Arbeitsideologie, die die Ausbreitung der Pandemie zumindest befördert haben:
 

  • die Sprengung der planetaren Grenzen durch Übervölkerung infolge Armut
  • der globale Mobilitätswahn durch vermeidbaren Handel und Tourismus
  • die Störanfälligkeit der Produktionen durch künstlich verkomplizierte Lieferketten
  • die globale Entsolidarisierung durch nationalen Egoismus und Wettbewerb.

 

Ungehemmter Nationalismus [   ] wird in der Wirtschaft beharrlich als Tugend und Wettbewerbsvorteil dargestellt. Jeder Globalisierungskritik wird die wenig überzeugende Belehrung entgegengestellt, dass jede globale Vermischung regionaler Kulturen, Lebensgewohnheiten, Architekturen, Stadt- und Landschaftscharaktere zu Bereicherung und größerer Vielfalt führe. Das Gegenteil ist der Fall. Ihre Vielfalt wird abgebaut. Die verhängnisvolle, anti-evolutionäre und unumkehrbare Vermischung – in der Physik seit 150 Jahren als »Entropie« kritisiert – wird von Wirtschaft und Politik beharrlich als Fortschrittsmotor dargestellt.
 

Wir erleben, wie von niemandem gewählte Milliardäre immer größere Milliardenbeträge der demokratischen Verfügung durch die gewählten Parlamente entziehen. Kann man das noch »Demokratie« nennen? Die Milliardäre haben eine Welt der zwei Realitäten geschaffen: Auf der einen Seite die offizielle Welt der Sozialprodukte, der Staatshaushalte, der Löhne und Gehälter, der normalen Privatvermögen und der Inflation. In dieser Welt lagen die jährlichen Zuwachsraten vor der Coronakrise bei ein bis zwei Prozent, in einigen Aufbruchsländern wie China vorübergehend etwas höher. Auf der anderen Seite die Welt der privaten Milliardärsvermögen. In ihr lagen und liegen die jährlichen Zuwachsraten bei sechs Prozent. Die Staaten wirken dieser Umverteilungsautomatik von unten nach oben nicht durch angemessene Rückverteilung entgegen.
 

Die immer monströsere Ungleichverteilung beschränkt sich aber nicht nur auf Kapital und Vermögen. Sie dehnt sich auf alle Lebensbereiche aus. Etwa auf die organisierte Nichtbeachtung des Einzelnen: In Prolli-Medien und »sozialen« Netzwerken genießen aufgeblasene Scheinpromis eine Überbeachtung, deren gesellschaftlichen Sinn oder Vorbildcharakter man vergeblich sucht. Auf der anderen Seite wird den sozial Abgehängten so lange das letzte Selbstwertgefühl geraubt, bis sie in ihrer sozialen Vereinsamung Amok, Terrorismus und Herostratentum anheimfallen und sich die verweigerte Beachtung gewaltsam verschaffen.
 

Nicht alle Arbeit ruiniert also die Welt. Präventionsarbeit kann sie retten. Doch je unregierbarer die Staaten werden, desto mehr werden sich die Dinge »natürlich« regeln. Etwa indem die Natur gegen die von einer falschen Ökonomie und Politik ausgelösten Kriege, Klimazerstörungen und Flüchtlingswellen mit immer neuen Pandemien reagiert.
 

Schon 1998 hatte mich die Frankfurter Rundschau einen »Kulturpessimisten« genannt. Umso mehr danke ich ihr dafür, dass sie meinen eher pessimistischen Betrachtungen dennoch Raum bot. Das ungewohnte Format von etwa 2200 Zeichen erwies sich als ungemein disziplinierend. Die insgesamt 50 Kolumnen und Beiträge wurden in dem Buch thematisch fünf Kapiteln zugeordnet. Dadurch werden naturgemäß die Wiederholungen sichtbar, die infolge des zeitlichen Abstands der einzelnen Kolumnen voneinander notwendig wurden. Sie wurden aus Gründen der Authentizität nicht beseitigt. Der Leser möge mir das verzeihen.“

 

© Nomen Verlag, Frankfurt am Main 2020

 

Bibliografische Daten
 

Günther Moewes
Arbeit ruiniert die Welt
Warum wir eine andere Wirtschaft brauchen
152 Seiten. Klappbroschur
Nomen Verlag, Frankfurt am Main
Erschienen im Juni 2020
Ladenpreis 12,00 Euro
ISBN 978-3-939816-74-4

 

 

KPM