Grundgesetz Artikel 4
(Absatz 1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(Absatz 2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
Grundgesetz Artikel 2
(Absatz 1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Grundgesetz Artikel 3
(Absatz3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.
Grundgesetz Artikel 140
Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.
Weimarer Verfassung Art. 136
(1) Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt.
(2) Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte sowie die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis.
(3) Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert.
(4) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.
dto, Art. 137
(1) Es besteht keine Staatskirche.
Karl Marx
Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie
Einleitung
» (…) Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat. Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät. Dieser Staat, diese Sozietät produzieren die Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, ihr enzyklopädisches Kompendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spiritualistischer Point-d'honneur, ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist.
Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.
Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist.
Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, solange er sich nicht um sich selbst bewegt.
Es ist also die Aufgabe der Geschichte, nachdem das Jenseits der Wahrheit verschwundenist, die Wahrheit des Diesseits zu etablieren. Es ist zunächst die Aufgabe der Philosophie, die im Dienste der Geschichte steht, nachdem die Heiligengestalt der menschlichen Selbstentfremdung entlarvt ist, die Selbstentfremdung in ihren unheiligen Gestalten zu entlarven. Die Kritik des Himmels verwandelt sich damit in die Kritik der Erde, die Kritik der Religion in die Kritik des Rechts, die Kritik der Theologie in die Kritik der Politik.
(…) Radikal sein ist die Sache an der Wurzel fassen. Die Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch selbst. Der evidente Beweis für den Radikalismus der deutschen Theorie, also für ihre praktische Energie, ist ihr Ausgang von der entschiedenen positiven Aufhebung der Religion. Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist (…) «
Veröffentlicht 1844 in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“
Ahmad Mansour
Klartext zur Integration
Der Psychologe Ahmad Mansour, Mitbegründer der neuen „Initiative Säkularer Islam“, kümmert sich beruflich um verhaltensauffällige und teilweise bereits straffällig gewordene minderjährige Flüchtlinge. Er wirft Teilen der Kirchen in Deutschland vor, „Mittäter zu sein bei der Etablierung eines politischen Islam“. Denn sie verhielten sich zu distanzlos gegenüber muslimischen Fundamentalisten.
Im Herbst 2018 hat er ein Buch vorgelegt, das den Titel trägt: „Klartext zur Integration: Gegen falsche Toleranz und Panikmache“. Der Sohn arabischer Israelis lebt seit 2004 in Deutschland. Dazu hat er sich intensiv mit Salafismus, Antisemitismus und den psychosozialen Problemen von muslimischen Migranten beschäftigt. Mansour plädiert für eine innere Reform des Islam. Es müsse eine innerislamische Debatte um Glaubensinhalte und Selbstverständnis eines zeitgemäßen Islams geben. Wörtlich sagte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk:
„Ich kann nicht Religionskritik zelebrieren, wenn es um Judentum oder in diesem Fall um Christentum geht und beim Islam zu machen und sagen: Das darf man nicht machen, das wäre rassistisch, das wäre undemokratisch, das wäre unmoralisch. Denn es geht nicht um Deutsche gegen Ausländer. Es geht nicht um Muslime gegen Nicht-Muslime. Sondern es geht um Demokraten gegen Nicht-Demokraten. Es geht um Menschen, die hier angekommen sind, für sich und ihre Familie das Land als Chance verstehen und Menschen, die hierhergekommen sind und sich und ihre Familie vor dem Grundgesetz schützen wollen – aus Ängsten, aus Unwissen. Und wenn wir das verstanden haben, dann sieht unsere Integrationspolitik anders aus, dann sieht unsere Islamdebatte ganz anders aus und vor allem sieht die Begegnung mit den Menschen ganz anders aus und vor allem gleichberechtigter aus.
Und, wenn sie dann auf eine Gesellschaft treffen, die nicht autoritär ist, die ganz anders funktioniert, dann entstehen a) Ängste und b) – und das ist sehr, sehr wichtig – die Art und Weise, wie wir leben, wird als schwach wahrgenommen. Denn man kann hier mit der Polizei sprechen. Man kann sich mit Lehrern streiten, darf ungestraft andere Meinung äußern. Die Menschen, die in autoritären Systemen groß geworden sind, die immer Angst haben vor Strafen, wenn sie was Falsches sagen, erleben diese Gesellschaft als superschwach.
Und die Aufgabe in unserer Integrationsarbeit muss a) sein, den Menschen die Ängste wegzunehmen. Das kann nur erfolgreich sein, wenn ein emotionaler Zugang zwischen Migranten und Einheimischen entsteht, wenn sie verstehen, wie wir leben, wieso wir so leben. Auch warum wir mehrheitlich mit unserer Sexualität liberal umgehen. Ebenso: Warum wird Gleichberechtigung bei uns so großgeschrieben? Und b), indem wir ihnen klarmachen, dass das keine Schwäche ist, dass man hier in Deutschland mit der Polizei auch sprechen kann, dass es keine Schwäche ist, dass die Lehrer und Lehrerinnen die Kinder nicht schlagen, sondern es ist eine Chance, es ist eine andere Art und Weise zu leben. Und das müssen die Leute zu schätzen lernen, denn sie haben ihre Länder verlassen, um hier in Sicherheit und vor allem gleichberechtigt zu leben.
Die Religionsfreiheit ist immer eingeschränkt. Ich kann nicht mein Kind schlagen und das als Ausübung von Religionsfreiheit bezeichnen. Wir haben gerade die Kopftuchdebatte bei Kindern, wo Kinder mit fünf oder sechs schon mit Kopftuch in die Schulen gehen müssen. Das kann man nicht als Religionsfreiheit verkaufen, nicht auch als Freiheit der Eltern, ihre Kinder zu erziehen. Sondern es gibt immer wieder Punkte, wo Religionsfreiheit an ihre Grenzen stößt.“
In seinem Buch geht Mansour auf einen Vorgang im Deutschen Bundestag im Mai 2018 ein:
„Die Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, tritt bei der Generaldebatte ans Rednerpult und sagt: »Burkas, Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und vor allem den Sozialstaat nicht sichern.«
Diese Szene sorgte für große Empörung in Deutschland. Direkt im Anschluss an die Rede sprach der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble einen Ordnungsruf aus: »Damit diskriminieren Sie alle Frauen, die ein Kopftuch tragen. Dafür rufe ich Sie zur Ordnung.«
Eine größere Anzahl Bürger demonstriere in den folgenden Tagen auf öffentlichen Plätzen, indem sie selbst Kopftücher anzogen, sich dann fotografierten und die Fotos bei Facebook & Co platzierten. Das Motto der Aktion: »Ich zeige Gesicht gegen die AfD und trage Kopftuch.« Selbst ein Pfarrer aus Baden-Württemberg trug eines bei seiner Pfingstmesse.
Warum eigentlich? Müssen wir immer das Gegenteil von dem tun, was die AfD sagt, um zu zeigen, dass wir Demokraten sind? Nein. Müssen wir nicht. Natürlich müssen wir in der Lage sein, Alice Weidel für ihre rassistische, diffamierende Art und Weise zu kritisieren. Aber wir dürfen das, worüber sie redet, nicht einfach totschweigen, nur weil es aus ihrem Mund gekommen ist.
Für nicht wenige Bürger scheint es ein Problem zu sein, in der Öffentlichkeit mit Frauen konfrontiert zu sein, die Kopftuch oder Schleier tragen. Darauf muss man geeignete Antworten finden. Auch mir wird immer wieder vorgeworfen, ich würde mit meiner Kritik am Islam der AfD Argumente liefern, ihren Anhängern in die Hände spielen und ausgerechnet von ihnen den größten Applaus ernten.“
Religionsfreiheit contra Freiheit von Religion?
Plädoyers für die Säkularisierung des Religiösen
Ausstellung / Büchertisch
20. – 25. Mai 2019
im Bibliothekszentrum Sachsenhausen
Donnerstagabend-Lesung
mit Publikumsgespräch
am 23. Mai, 19:00 – 20:30 Uhr:
Philosophische und literarische Plädoyers für eine säkulare Gesellschaft
Eintritt frei